“Wichtiger als du denkst!”
-Wohlfahrtsverbände starten Kampagne zum Haushaltsentwurf 2024/2025-
Anfang Juni dieses Jahres erhielten wir einige Mails über den Verteiler des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Landesverband Berlin e.V., mit der Information, dass im neuen Haushaltsentwurf 24/25 für Berlin drastische Sozialkürzungen angedacht sind. Für Alle, die es nicht wissen: seit über 30 Jahren hängt unsere Beratungsstelle „HörBIZ Berlin“ an einer Finanzierung des Landes Berlin, die sich „ISP-Finanzierung nennt. „ISP“ steht für „Integriertes Sozialprogramm“, worüber Projekte zur Sicherung der sozialen Infrastruktur in Berlin gefördert werden. Diese Projekte müssen stets an einen freien Trägerverein gebunden sein, der seinerseits nochmal 10-20 % der Gesamtkosten trägt. In unserem Fall ist es das Sozialwerk der Hörgeschädigten Berlin e.V. und unser Eigenanteil wird beispielsweise über Ihre Mitgliedbeiträge, Technikausleihe, Raumvermietung oder Zuschüsse des SVB finanziert. So ermöglichen wir die Begleitung von 800-900 hörbeeinträchtigten Personen in über 4000 Beratungen jedes Jahr.
ISP-finanziert sein bedeutet aber auch, dass diese Finanzierung jährlich neu beantragt werden muss, auch wenn das Hilfsangebot keine kurzfristige Krise betrifft, sondern einen anhaltenden Bedarf deckt, der auch noch stetig steigt. Nicht nur, dass die massiv erhöhten Kosten durch Krisen, steigende Energie- und Heizkosten und Inflation im Haushaltsplan entweder gar nicht oder nur unzureichend berücksichtigt wurden, wird nun auch noch der Rotstift zuerst an jene sozialen Strukturen angesetzt, die in Pandemiezeiten das Rad am Laufen gehalten haben. Die freien Träger, die durch die Steigerungen der Ausgaben sowieso finanziell am Limit agieren, müssen dazu also noch mehr Eigenfinanzierung an ihre Projekte leisten. Auch die Energiepreisbremse der Regierung wird auslaufen, womit in diesem Jahr wieder mit höheren Energiekosten zu rechnen ist. Es ist zu befürchten, dass eine Umsetzung dieses Entwurfs für einige Angebote der finale Gnadenstoß sein wird.
Um nur ein Beispiel zu nennen, plant der Senat eine Kürzung von 600.000 Euro pro Jahr in den IGGP-Projekten, das sind die Projekte des Integrierten Gesundheits- und Pflegeprogramms und trifft zum Beispiel die Sucht -und Drogenberatungsstellen. In welcher Höhe bei unseren ISP-geförderten Projekten Einsparungen erfolgen, wird zu diesem Zeitpunkt verhandelt, jedoch muss davon ausgegangen werden, dass zumindest Kostensteigerungen nicht berücksichtigt werden und durch die Trägervereine wieder selbst aufgefangen werden müssen.
Die Wohlfahrtsverbände inklusive des Paritätischen Landesverbandes Berlin, haben nun eine Kampagne für den Erhalt sozialer Strukturen gestartet, die auch auf die geplanten Kürzungen aufmerksam machen soll. Zusammenfassend behandelt diese Kampagne, warum freie Träger mit ihren Angeboten so wichtig für das soziale Berlin sind und wie stark die Sparpläne viele Einrichtungen bedrohen. Unter anderem heißt es im Text der Kampagne:
„Andrea U. Asch, LIGA-Federführung und Diakonie-Vorständin: „Die Freien Träger stellen in den verschiedenen Arbeitsfeldern 55% bis 100% der sozialen Angebote der Hauptstadt sicher. Wenn Senat und Regierung ihre sozialen Errungenschaften und schnellen Hilfen in der Öffentlichkeit darstellen, sind fast immer unsere freien Einrichtungen aktiv geworden. Im staatlichen Auftrag holen unsere Haupt- und Ehrenamtlichen die Kohlen aus dem Feuer – und zwar seit Jahren chronisch unterfinanziert.“ Die Kampagne macht deutlich: Der Berliner „Rekordhaushalt“ hat die Wirkung eines Sparhaushalts, er gefährdet ganz konkret soziale Angebote oder streicht sie aktiv zusammen. Die Steigerung i.H.v. 2,5% und 3,8% deckt nicht einmal die Inflationsrate ab. Es fehlt Geld für Verwaltung und Overheadkosten, sowie für Mieten, Material und Energie. Bis zu 80% der krisenbedingten Kostensteigerungen werden ignoriert. Wohnungen und Gewerberäume sind kaum oder nicht mehr zu bezahlen, qualifizierten Mitarbeitenden können nur befristete Verträge angeboten werden.“
Die dort veröffentlichten Zahlen wie 14.000 Klinikbetten, 1.600 Kitas, 11.500 Jugendwohnplätze oder insgesamt 160.000 Mitarbeitende der freien Träger in Beratungsstellen, Kliniken, Kitas, Wohneinrichtungen und vielem mehr, machen deutlich, wieviel an diesen Einrichtungen hängt und wie wichtig Pflege, Beratung, Unterstützung und soziale Arbeit für unsere Gesamtgesellschaft ist.
Der Paritätische Landesverband Berlin bittet die Selbsthilfeorganisationen, Interessierte und Betroffene um Mitwirkung in Form von Briefen an die zuständigen Bezirksabgeordnete*n, in Charlottenburg beispielsweise an Michael Müller. Ein Musterbrief des Paritätischen wurde unter https://www.der-paritaetische.de/stoppt-sozialkahlschlag/ veröffentlicht. Da dieser Musterbrief aber unseren Bedarf vom HörBIZ und unserem Trägerverein „Sozialwerk der Hörgeschädigten Berlin e.V.“ nur unzureichend abbildet, werden wir an unsere zuständige Senatorin, Frau Cansel Kiziltepe, ein gesondertes Schreiben verfassen.
Mehr Informationen zur Kampagne „Wichtiger als Du denkst“ finden Sie unter:
https://www.paritaet-berlin.de/verband/wichtiger-als-du-denkst
Sandra Markoff, Berlin – 2023-10-05